Spezifische Personalsuche der Unternehmen

Seit den Öffnungen im Mai dieses Jahres sinkt die Zahl der arbeitslosen Personen kontinuierlich und nähert sich dem Vorkrisenniveau. Im Juni verzeichnete das Arbeitsmarktservice (AMS) 360.100 Arbeitslose und Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Zwei Jahre zuvor, also vor Beginn der CoV-Pandemie, waren 324.200 Personen ohne Job. Blickt man ausschließlich auf die Zahl der Arbeitslosen, ist die Differenz noch geringer. Im Juni vor der Krise waren 264.520 Personen als arbeitslos registriert, heuer waren es 288.862.

Gleichzeitig schoss in den vergangenen Monaten auch die Zahl der offenen Stellen in die Höhe. Mit 109.000 waren zuletzt so viele sofort verfügbare Stellen gemeldet wie noch nie zuvor. Die Personalsuche ist besonders in der Dienstleistungsbranche (zum Beispiel Tourismus und Gastronomie) und im Handel groß.

Laut AMS-Zahlen wird in allen Bundesländern vermehrt nach Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für die Gastronomie und die Beherbergung gesucht, der Anstieg gegenüber dem Coronavirus-Juni 2020 betrug bundesweit über 130 Prozent. Aber auch in der Industrie – speziell in Oberösterreich und in der Steiermark – gibt es zahlreiche offene Stellen, die sofort verfügbar sind.

Arbeitslosigkeit sinkt, Inserate steigen

Über Inserate in Onlineportalen oder in Zeitungen versuchen Betriebe, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu rekrutieren. Im ersten Halbjahr 2021 sind diese laute einem aktuellen Arbeitsmarktreport des Jobportals Karriere.at deutlich gestiegen. So warben Unternehmen um elf Prozent mehr als noch vor zwei Jahren, als von der Coronavirus-Krise noch keine Spur war. Damals wuchs die Wirtschaft kontinuierlich und die Arbeitslosigkeit sank das ganze Jahr über.

Eine ähnliche Entwicklung hat auch das erste Halbjahr 2021 hinter sich. Die Beschäftigung steigt, die Arbeitslosigkeit sinkt, ist aber noch höher als vor der Krise – und gleichzeitig suchen Unternehmen nach neuen Arbeitskräften. Laut Karriere.at, das mit Peter Harald Brandstätter von der Fachhochschule Oberösterreich über 250.000 Stelleninserate im ersten Halbjahr analysierte, waren der Handel, die Industrie und die Baubranche im Vergleich zu 2019 besonders aktiv.

Grafik zeigt Daten zum Arbeitsmarkt in Österreich im Juni 2021

Grafik: ORF.at; Quelle: AMS

Im Handel wurden etwa 13 Prozent mehr Inserate ausgeschrieben als noch vor zwei Jahren – und 52 Prozent mehr als im Vorjahr. Gerade diese Branche baute während der Krise Personal ab oder schickte ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit. Nun übersteigt die Zahl der Inserate jene im Vorkrisenjahr signifikant. Auch die IT-Branche oder der Bankensektor sucht nach Personal. Allerdings galt die IT-Branche als krisenresistent und spürte die negativen Auswirkungen der Pandemie kaum – ein großer Personalabbau fand nicht statt.

Fachkräfte in Kleinunternehmen begehrt

Die Stelleninserate der IT-Branche wurden laut Karriere.at heuer bereits nach 65 Tagen wieder deaktiviert, 2019 waren es noch 70 Tage. „Unsere Erfahrung zeigt, dass die meisten Unternehmen ein Inserat deaktivieren, sobald die betreffende Stelle besetzt ist“, sagte Georg Konjovic, Geschäftsführer von Karriere.at. Die Branche sei durch die Krise noch attraktiver geworden – auch wegen der Homeoffice-Möglichkeit, die in den Inseraten nun vermehrt angeführt werde.

Laut dem Arbeitsmarktreport gibt es auch wesentliche Unterschiede in Sachen Betriebsgröße: „Unsere Daten zeigen, dass Fachkräfte momentan besonders in Unternehmen mit maximal 50 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen heiß begehrt sind“, so Konjovic. Im Vergleich zum Vorjahr und zu 2019 schalten diese deutlich mehr Inserate als Betriebe mit mehr als 5o Mitarbeitern,

Das Jobportal Karriere.at steht nicht repräsentativ für den heimischen Arbeitsmarkt. Der Großteil der Unternehmen, die bei Karriere.at inserieren, stammt aus dem kaufmännisch-technischen Bereich. Die Gastronomie und der Tourismus, die besonders hart von der Krise getroffen wurden, werden kaum abgebildet. Dennoch zeige der Anstieg der Einschaltungen quer durch alle Branchen in allen Bundesländern, dass die Coronavirus-Krise zumindest aktuell „keinen negativen Einfluss mehr auf die Suche nach Fachkräften“ nimmt.

Uneins über Lösungen

Dass nach wie vor mehr Personen einen Job suchen als noch vor der Krise, die Zahl der offenen Stellen aber weitaus höher ist als 2019, deutet laut Fachleuten auf ein strukturelles Problem auf dem Arbeitsmarkt hin. So stieg die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen und die Dauer der Jobsuche. Jüngere Personen fanden schneller und öfters eine Arbeitsstelle als ältere. Wie man die nicht so gut vermittelbaren Arbeitskräfte auf dem Markt unterbringt, darüber ist man sich aber uneins.

Am 1. Juli startete das AMS zum Beispiel das „Sprungbrett“-Programm. 50.000 Langzeitbeschäftigungslose sollen mit Hilfe von Lohnkostenzuschüssen und gemeinnütziger Arbeitskräfteüberlassung bis Ende 2022 wieder einen Job finden. Die Industriellenvereinigung (IV) forderte hingegen eine „umfassende Arbeitsmarktstrategie“. Es gehe um Aus- und Weiterbildung, eine Erweiterung der Erwerbsbeteiligung vor allem von Frauen und älteren Bevölkerungsschichten und qualifizierte Zuwanderung, hieß es zuletzt.

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher hatte Anfang Juli die Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose, die während der CoV-bedingten Rekordarbeitslosigkeit nicht umgesetzt wurden, wieder aktiviert. Asylwerbende sollen aber weiterhin erst zum Zug kommen, wenn niemand sonst gefunden werden kann. Wegen des Arbeitskräftemangels in der Gastronomie und Hotellerie forderte Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Wirtschaftskammer-Gastronomieobmann Mario Pulker pochte auf eine „rigorose“ Umsetzung der Zumutbarkeitsregeln.

NEOS übt Kritik an Beibehaltung der Kurzarbeit

Am Mittwoch übte NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker Kritik am Festhalten der Bundesregierung an der Coronavirus-Kurzarbeit: „Mit 109.000 offenen Stellen sind so viele Stellen verfügbar wie noch nie zuvor. Und trotzdem sorgt die Bundesregierung mit dem deutlich zu großzügigen neuen Kurzarbeitsmodell für eine Konservierung des Arbeitsmarktes“, so Loacker. Am Anfang sei das Modell gut gewesen, doch nun „blockiert sie schlichtweg einen Neustart am Arbeitsmarkt“.

Der NEOS-Politiker forderte zusätzlich eine gezielte Unterstützung für Geringqualifizierte und ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie einen Qualifizierungsschwerpunkt auf digitale Technologien. Auch das Arbeiten im ländlichen Raum müsse attraktiver gestaltet werden, um die „längst überfällige Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte werde die Regierung nicht herumkommen“, sagte Loacker weiter.